Reduktion und Oxidation im Wein
Written by Franz Weninger on the 14th of March 2017Eine Erklärung, was ich unter „reduktiver Stärke“ – „anti-oxidativer Kraft“ verstehe. Und warum Oxidation nichts Böses ist.
Als wir 2004 auf organisch-biologische Bearbeitung umstellten, bemerkten wir eine Erhöhung des Reduktionspotentials. (Ein Wein mit hohem Reduktionspotential wirkt verschlossen, jugendlich, und braucht wenig Schwefel.)
Es war zwischen den Ernten 2005-2007, als wir viel über dieses Potential lernen konnten und auch unsere Kunden viel darüber lernen mussten. Auch über die Verschlussthematik - siehe in unseren FAQs.
Leider gibt es wissenschaftlich wenige Aussagen zu diesem Thema. Das ist aber auch logisch, da jeder Wein je nach Herkunft unterschiedlich reagiert und daher muss auch hier (wie beim Boden) der Winzer Versuche unternehmen, um seinen Weg zu finden.
Begriff: Reduktion
Begriff: Oxidation
Richtig eingesetzt, kann Reduktion den Wein über Jahrzehnte reifen lassen, wie man es bei großen Burgundern sieht, doch zu reduktiver Wein kann ungenießbar sein. Reduktive Noten werden oft auch mit Mineralität verwechselt, indirekt hat Reduktion damit auch zu tun. Ein Rebstock, der um seine Nährstoffe hart arbeitet, sei es auf Grund von Steinen (Nährstoffarmut) oder auf Grund von Konkurrenz durch Biodiversität, bringt „mineralische Noten“. Genauso haben diese Weine aus solchen Rebanlagen auch ein sehr hohes Reduktionspotential.
Was erhöht nun das Reduktionspotential:
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Lebendiger Boden, langsam wachsende Reben (sie sind das wichtigste Werkzeug im natürlichen Weinbau). Trauben aus solchen Weingärten sind sehr stabil und haben eine hohe reduktive Kraft. So schmecken auch Weine von Lehmböden „mineralisch“.
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Schwere Böden (Ton, Lehm) mit wenig Sauerstoff im Boden produzieren Trauben mit mehr Reservatrol und haben dadurch mehr reduktive Stärke.
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Lange Zeit auf der Hefe hält den Wein jung und damit reduktiv (Hefe ist die Verbindung zur Geburt).
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Oxidation. Klingt verrückt, aber Oxidation zu einer gewissen Zeit im Reifestadium wird einen Reduktionsprozess in Gang setzen, so dass der Wein später reduktiver ist als vor der Oxidation. Mehr dazu: siehe Clark Smith: „Postmodern Winemaking“.
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Unterschiedliche Verschlussarten haben unterschiedlich hohe Sauerstoffdurchlassraten. Ein Blogartikel von mir dazu.
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Biodynamisch betrachtet, ist Reduktion gleich Konzentration. Symbole für Konzentration: kürzer werdende Tage nach dem längsten Tag (dem 21. Juni), Neumond.
Und was erhöht das Oxidationsrisiko / die Oxidationsfähigkeit?
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Ein offener Boden (Sauerstoff im Boden) reduziert das Bodenleben. Ein sehr wichtiger Punkt für Winzer – wo ist die Grenze, wann muss ich den Boden aufmachen, wie lange kann er geschlossen bleiben? Speziell in extremen Jahren ist das eine ganz schwierige Entscheidung.
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Trauben in der Sonne
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Reinzuchthefe, Hefenährstoff, Enzyme (eine schnelle Gärung)
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Filtration erhöht die Oxidation. (Es werden jene Stoffe, die den Wein reduzieren, herausgefiltert.) Speziell Crossflow Filtration nimmt Stoffe, die zur Reduktion dienen, aus dem Wein und erhöht die Oxidation. Der Wein wird weicher und trinkbarer.
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Kleine Fässer (Verhältnis Volumen zur Oberfläche).
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Biodynamisch betrachtet steht der Frühling für Expansion und somit Oxidation, als weiteres Symbol kann der Spiegel der Sonne (Pflanzen haben mehr Licht zur Verfügung, daher Wachstum auch in der Nacht), der Vollmond, betrachtet werden.
Was ich bisher gelernt habe:
Reduktionskraft (chemischer Ausdruck: Reduktionspotential) kann man nützen, um Wein ohne Schwefel zu erzeugen.
Weine, die viel Reduktionspotential aufweisen, brauchen Zeit. Zeit im Keller, Zeit zum Reifen, Zeit im Glas, Zeit zum Verkosten und Zeit zum Verstehen.
Wir brauchen Reduktion beim natürlichen Weinwerden, sie ist eine große Gabe der Natur, und macht es möglich, dass Wein ein einzigartiges Getränk wird.
Fazit: Unser Ziel ist es, eine Balance zwischen diesen beiden Reaktionen zu schaffen. Ein großer Wein braucht beides. Der Ausgleich zwischen Wachstum und Reife im Weingarten ist der Schlüssel zum Erfolg. So können im Keller die beiden Reaktionen von selbst, ohne unser Zutun, vonstatten gehen.