Brett - eine Hefe

Written by Franz Weninger on the 16th of March 2021

Über „Brett“ stolperte ich das erste Mal im Jahr 1992. Nicht, weil ich es damals das erste Mal in einem Wein roch, sondern weil ein Önologe in unserem Keller im Burgenland stand, der dem Geruch nach Pferdeschweiß erstmals diesen Namen gab. Heute erinnert mich diese Begebenheit immer ein wenig an „Des Kaisers neue Kleider“.

Petra & Bláhvít (her horse)

Ich glaube, dass in den 1990er Jahren Brett mehr und mehr zum Problem für die Winzer wurde, weil sie Robert Parker gefallen wollten. Weingüter rund um den Globus begannen – unter dem Einfluss internationaler Önologen – neue Holzfässer zu verwenden. Und der Wein aus diesen Fässern roch nicht nach Brett. Für mehr und mehr Menschen wurde Brett so zum Problem, zum Weinfehler gar. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass vor dieser Zeit Brett ein Bestandteil jedes ernstzunehmenden Rotweins war. In manchen Weinen nahm man es sehr deutlich wahr – bei vielen Bordeaux und Rhône-Weinen etwa –, in manchen war es nur ein kleiner Teil eines vielschichtigen Aromaprofils. Aber es war da.
Durch Parker wurde Brett zum vieldiskutierten „Weinfehler“ dieser Zeit. Nicht so unähnlich zum Mauston heute unter den Naturweintrinkern.

Das gleiche Phänomen konnte ich wenige Jahre später in Villány beobachten, einer südungarischen Region, in der wir auch arbeiteten. Hier war Brett seit jeher ein großer Teil des Geschmacksprofils. Die Winzer nannten ihre Region sogar „Bordeaux des Ostens“ und bis zum Jahr 1997 hatte ein Großteil ihrer Weine einen guten, schönen Anteil Brett. Aber auch hier fanden sich internationale Önologen ein und die „Hexenjagd“ gegen Brett nahm ihren Lauf. Filtration, höherer Einsatz von Schwefel, Säuerung vor der Gärung wurden zu gängigen Mitteln. Es endete in flachen, ausgezehrten und auch sehr kommerziellen, für mich langweiligen Weinen. Ich war schockiert. Das konnte nicht der richtige Weg sein. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass in den meisten Fällen, in denen die moderne Önologie in einer Region zwischen 1990 und 2006 eintraf, die Weine nicht besser, sondern schlechter wurden.

Doch von jenem Tag im Jahr 1992 an, begannen auch mein Vater und ich, Brett zu bekämpfen. Vermuteten wir in einem Wein nur einen minimalen Geruch nach Jod, zogen wir ihn um und gaben Schwefel hinzu. Rückblickend zeigten die Weine nach dieser Behandlung zwar kein Brett mehr, wurden aber nie wieder richtig große Weine. Sie waren ok, mehr aber auch nicht. Trotzdem kämpften wir weiter, denn zum Überdenken dieser Strategien war es noch ein längerer Weg.

Wir ließen damals jeden Wein, in dem wir Brett vermuteten, im Labor analysieren. So brachte ich eines Tages einen „Brett-Kandidaten“ dorthin und traf auf den Laborleiter. Er meinte, er könne mir sofort sagen, ob der Wein Brett habe – er öffnete die Flasche, verkostete und antwortete: „Nein, der hat kein Brett.“ Auf meine Nachfrage, ob er den Wein denn nicht analysieren wolle – immerhin seien wir in einem Weinlabor – meinte er, das habe keinen Sinn. Denn in einigen Weinen finden sie zwar nur ganz wenige Brettanomyces-Zellen, doch sie sind geschmacklich stark beeinflusst, und in anderen gibt es eine große Menge davon, aber niemand nimmt es wahr. Daher sei es die sensorische Verkostung, die zähle.
Die Laboranalyse gaukelt uns Sicherheit vor, doch hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Wenn man das akzeptiert, ist man in seiner Arbeit weniger auf Analysen angewiesen.

2007 begann ich, die Verwendung von Schwefel in meinen Weinen zu hinterfragen - siehe auch hier: FAQs. Mit niedrigerem Schwefel wurde Brett erneut ein riskanteres Thema in meinen Weinen.

Also musste ich eine andere Strategie finden, um damit umzugehen. Erstens: Lernen zu akzeptieren, dass es Teil einer spontanen Gärung und unfiltrierter Weine ist, so wie es das 7960 von 8000 Jahren lang Weinkultur war. In jedem spontan vergorenen Wein wird Brettanomyces ein Teil des Bioms der Gärung sein. Von manchen Weingärten mehr als von anderen. Ich erkannte zum Beispiel, dass von tiefgründigen, feuchten Böden das Brett eher eine derbe Aromatik hervorbringt und der Gesundheitszustand der Trauben eine wichtige Rolle zu haben scheint. Wohingegen die Weine von Schieferböden in dieser Hinsicht großartig sind, da das Brett hier immer als interessant und bereichernd wahrgenommen wird.

Brett kann sogar die Diversität im Geschmack der Weine erhöhen. Hier möchte ich Jamie Goode zitieren:

Brett is such an interesting topic. It´s a fault, yet it´s an accepted element of some fine wines, particularly those with age. It´s a superb example of why we should take a more nuanced view of wine faults, rather than binary “fault or no fault” view.

Jamie Goode: Flawless - Understanding Faults in Wine

Von Sauerbieren (Lambic) können wir lernen, dass Brett auch Frucht bringen kann (Erdbeeraroma). Mir ist aufgefallen, dass dies meist in der ersten Gärung stattfindet: nämlich dann, wenn die Hefe noch gute Nahrung und gute Bedingungen vorfindet. Brett aus der zweiten oder dritten Gärung (in alten Fässern bei Wein – kein Zucker mehr vorhanden) wird meistens derb.
Da wir selbst nur mit alten Fässern arbeiten, fing ich an, Ozonwasser für das Waschen zu verwenden. So schaffen wir es, das Biom der Trauben und des Weingartens mitzunehmen, und nicht das Biom unserer Fässer.

Jedem, der sich für das Thema interessiert, möchte ich das Buch von Jamie Goode ans Herz legen: "Flawless – Understanding Faults in Wine". Große Leseempfehlung!

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